Da Wisse Sunndi

Am weißen Sonntag gehen die Erstkommunikanten zum ersten Mal zum Tisch des Herrn. Für die Erstkommunikanten hat der Dialekt das Wort „Zuegenger“ gefunden. Die Schulkinder um 10 Jahre wurden und werden nach ihrem Zuegi (Zugehörigkeit zur katholischen Gemeinde) beurteilt: „der isch schu zuegônge; der geht erschd Nägdschjôhr zue; da unsa derf  diss Jôhr zuegi“.
Vor dem zweiten Weltkrieg, als andere Konfessionen in Iffezheim nur einen verschwindenden Bruchteil ausmachten, gehörten 40 bis 70 Kinder zu einem Zuegenger-Jôhrgông. Zu der Zeit waren vier bis fünf Kinder je Familie an der Tagesordnung, so daß nicht selten zwei Kinder im selben Jahr zuegônge sind. 
Die Vorbereitung für den weltlichen Teil des Festes, welches nicht selten die Ausmaße einer Hochzeit annahm, begannen im Spätwinter mit dem Schlachten einer extra dafür gezogenen Sau. Falls die Ausstaffierung des Zuegengers nicht vom Vorjôhrs-Zuegenger übernommen werden konnte, ging es dann an das Beschaffen der Bekleidung. Für die Jungen ein Anzug mit einer „kurze lônge odda lônge kurze Hoos“ oder wenn einigermaßen Geld im Haus war „en Bleyleôzug“. Für die Mädchen ein weißes Kleid, das maximal Wadenlänge hatte. Bodenlange Kleider wie heute, gab es damals nicht. Die Kleider wurden zum Teil von den Müttern selbst oder von den ortsansässigen Schneidern gefertigt. Die Schuhe, zum Teil „schiene Laggschiele“, wurden ein bis zweimal vor dem großen Tag sonntags eingelaufen. Der Zuegenger durfte damit auf keinen Fall spielen!
Eines Tages dann wurde der Zuegenger voll ausstaffiert auf den Tisch gestellt und begutachtet, ob er salonfähig war. 
Nebenher mußten die ganzen Gäste, wenn möglich persönlich, eingeladen werden: „da Vedder, d'Geddl, da Großvadder, d'Großl, da Ungl us Frônkfurt, d'Donde us em Murjdaal un d'ôngere Ungl und Dondene us Iffze“.
Die geistliche Vorbereitung auf das Fest warf seine Schatten bereits auf Fasching: die Zuegenger durften sich nicht maskieren. Sie mußten brav und gehorsam sein. Ab Aschermittwoch mußten die Zuegenger täglich die hl. Messe besuchen. Guzle während der Fastenzeit waren strikt verboten. Zweimal in der Woche war Kommunionunterricht, der vom Pfarrer in der Schule, in der Kaplanei (heute steht dort das Kolpinghaus) oder in der Kirche abgehalten wurde. Damals ging man nicht in den Kommunionsunterricht, sondern sagte: „hit nômeda hen ma noch Exôme“. Katechismus und biblische Geschichte wurden gepaukt. Dabei entstand der Spruch: .. und Jesus antwortete, erwiderte und sprach.
So kam der große Tag heran. Die Mutter suchte eine Köchin fürs Fest, wobei es im Dorf einige versierte „Wisse-Sunndi-Keche“ gab. Aber auch Tante, Nachbarin oder Bekannte wurden ausersehen für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen. Feiern im Lokal gab es noch nicht. 
Anfang der Karwoche wurden die „Linza Dorde“ gebacken, damit sie bis zum Fest schön mürbe wurden. Beim Kuchenbacken war die ganze Sippe gefordert. Konnte aufgrund der Größe oder Menge der Kuchen nicht zu Hause gebacken werden, wurde er zum Bäcker gebracht und dort gegen geringes Entgelt gebacken. Donnerstags nach Ostern wurden die übrigen Kuchen wie Rührkuchen oder Käsekuchen gebacken. Freitags war der Tag des Hefekuchens und der „Iffzer Dord“. Ohne die Iffzer Dord ist kein großes Familienfest in Iffezheim denkbar.
Am Samstag war das Küchenpersonal mit Vorkochen und Richten beschäftigt. Der Hausvater mußte tränenden Auges den Meerrettich reiben, welcher vom „Meerretijer“ gekauft worden war.
Straße und Hof wurden wurden blitzblank gefegt - damals hatte nahezu jeder Landwirtschaft mit Viehhaltung! Das Wohnzimmer wurde ausgeräumt und bei den Nachbarn Stühle, Tische, Geschirr und weitere Utensilien ausgeliehen. Die Unterbringung der von auswärts angereisten Gäste wurde geregelt. 
Der Vater hatte für die Getränke zu sorgen: grüne und rote Limonade, Naturwein aus Gallenbach-Varnhalt und einen guten „Moscht“. Die Mutter richtete die Kleider für jung und alt her und abends saß man mit einigen lange nicht mehr gesehenen Verwandten zusammen.
Dann kam der Tag! Eine Stunde vor Gottesdienstbeginn läutete die große Zwölferglocke zum „Erschdmôllidde“. Das Frühstück fiel aus, da damals noch das Nüchternheitsgebot galt. Hastig fuhr man in die Kleider und stand beim „Zwiddmôllidde“ am Hoftor, fertig für den Gang zur Kirche. Das „Zwiddmôllidde“ besorgte die Elferglocke 30 Minuten nach dem „Erschdmôllidde“. Eine Viertelstunde vor dem Beginn des Gottesdienstes begann das „Zommelidde“ mit allen vier Glocken. Die Zuegenger mit Eltern und Paten trafen sich vor der Schule, von wo sie in einer feierlichen Prozession vom Pfarrer mit den Ministranten, den Stiftungsräten und dem Musikverein abgeholt wurden. Unter Glockengeläut betraten die Zuegenger die Kirche und so mancher Gottesdienstbesucher konnte sich ob der Erinnerung an seinen Wisse Sunndi einer Träne im Augenwinkel nicht erwehren. 
Nach dem Gottesdienst ging es zurück ins Zuegenger-Haus zum Frühstücken. Danach übergaben die Gratulanten ihre Geschenke. Daran schloß sich das Festmahl an. Ein typischer Speiseplan enthielt eine Markklößchensuppe, gefolgt vom Rindfleisch mit Meerrettich, welchem sich ein Sauerbraten mit hausgemachten breiten Nudeln als Hauptgang anschloß. Den Abschluß bildete eine Weinsoße mit Biskuit oder Tutti-Frutti.
Je nach Wetter führte vor dem Kaffee ein Spaziergang auf den Friedhof um der verstorbenen Familienangehörigen zu gedenken. 
Abends ging es nochmals in die Kirche zur Dankandacht der Corpus-Christi-Bruderschaft mit dem Segen für die Zuegenger. Danach erzählte man sich gegenseitig, wie die Geschenke ausgefallen waren: die Taschenuhr vom Vedder, das Halskettchen mit silbernem Kreuz von der Geddl...
In der Stubb traf man sich dann wieder zum Nachtessen. Es gab dann Bratwürste mit Kartoffelsalat oder Koteletts mit Salaten oder als besonderen Leckerbissen einen „Schunken“ in Brotteig. 
Die Zuegenger mußten dann bald zu Bette, während die Erwachsenen noch lange zusammensaßen, sich Geschichten erzählend, Neuigkeiten austauschend und falls Musiker anwesend waren, auch alte Lieder singend.
Zum Montagsgottesdienst, wie auch zur ersten Maiandacht, mußten die Zuegenger nochmals im Wisse Sunndi-Staat erscheinen. Im Anschluß an diesen Gottesdienst wurden die Zuegenger zusammen mit dem Pfarrer auf der großen Treppe abgelichtet.
1945 fiel der Wisse Sunndi auf den achten April. Die alliierten Truppen standen damals zwischen Karlsruhe und Rastatt. Die Einwohner Iffezheims saßen meist den ganzen Tag im Keller. Der damalige Pfarrer Bürkle sagte wegen der Kampfhandlungen den Weißen Sonntag ab. Er wurde dann Mitte Mai an Pfingsten in sehr bescheidenen Umfang nachgeholt. (7).
Euer Kommentar an Matthias
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