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17. Mai 2013

 

 

Gedenken der Opfer des Außenlagers Iffezheim

Auf sehr großes Interesse stieß die Übergabe der Gedenktafeln, mit denen an das Leid der in das  Außenlager Iffezheim des KZ Natzweiler/Struthof und dessen Nebenlager Sandweier verschleppten Personen erinnern. Weit über einhundert Personen gedachten dem Schicksal der Inhaftierten. 

Eröffnet wurden die doppelte Gedenkveranstaltung von den jeweiligen Gemeindevorständen Bürgermeister Peter Werler (Iffezheim) und Oberbürgermeister Wolfgang Gerstner (Baden-Baden). Peter Werler bat in Iffezheim um Verständnis, daß die Tafel nicht ganz am Originalschauplatz, sondern an der Straße „An der Rennbahn“ mitten im Boxendorf aufgestellt worden sei, aber nur so sei sie in der Öffentlichkeit sichtbar und mahne, die eigene Geschichte anzunehmen und alles zu tun, damit es so ein Lager nie mehr geben werde.

Am Barackenstandort Sandweier verlieh Wolfgang Gerstner seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Gedenktafel dazu beitrage, das Bewußtsein dafür zu schärfen, was ein Unrechtsstaat bewirken könne, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten würden. Die Nachfolgegenerationen mögen dies nie vergessen und ihre Zukunft auf Grundlage der Toleranz, Achtung und Respekt aufzubauen, damit, so etwas nicht mehr passieren könne.

Das Außenlager Iffezheim des KZ Natzweiler / Struthof (Ausschnitt eines alliierten Luftbildes; Quelle: Imperial War Museum, London);
Rechter Hand Rennbahn und Mühlbach, links der Geggenauweg und Bannscheidgraben (Danke an Kurt Hochstuhl)

An den beiden Standorten des Außenlagers referierte Dr. Kurt Hochstuhl, Abteilungsleiter im Staatsarchiv Freiburg und Verfasser der Ortschroniken der beiden Gemeinden, aus den spärlichen Unterlagen über das Außenlager Iffezheim. Es sei  in Zeiten des „Totalen Krieges“ nicht angeraten gewesen, verfängliche Fragen zu stellen, weshalb denn  die kahlrasierten Männer in gestreiften Häftlingsuniformen im Oktober 1943 mit dem Bau von drei Wohnbaracken und zwei Verwaltungsgebäuden nordwestlich der Rennbahn begannen, so Kurt Hochstuhl. Die etwa 130 bis 150 Häftlinge aus Rußland, Polen und Deutschland hätten im Auftrag der SS für die Rastatter Weinhandlung „Müller“ Kisten hergestellt, Wein abgefüllt und diesen zur Truppenversorgung verladen. Auch wenn die Arbeit in Iffezheim leichter anmute als etwa der Ölschieferabbau im KZ Bisingen, sei Iffezheim kein „Wohlfühllager“ gewesen, denn das System der nationalsozialistischen Konzentrationslager sei darauf ausgerichtet gewesen, die Menschen, die nicht in das System passten, auszubeuten und physisch zu vernichten. Im November 1943 sei Unterscharführer Albert Fuchs aus Dachau als Kommandant nach Iffezheim versetzt worden, führte Hochstuhl weiter aus. Mit ihm hielt das „Modell Dachau“ [Das KZ Dachau fungierte als „Ausbildungsbetrieb“ für die KZ-Wachmannschaften] Einzug in Iffezheim: Stacheldraht und Wachtürme schirmten das Gefängnis nach außen ab, Exekutionsdrohungen, Tritte und Schläge wurden Lageralltag.

Dennoch entgingen der Bevölkerung die menschenverachtenden Bedingungen nicht, die durch Essensgaben Iffezheimer Kinder und Jugendlichen versucht wurde zu lindern, wie zahlreiche Zeugenaussagen geschildert hatten. Direkt mit dem Elend der Häftlinge sei Ankerwirt und Ortsbauernführer Karl König konfrontiert worden, als ein entflohener Häftling auf seinem Anwesen erschien, erzählte Hochstuhl, der auch die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Lager und Dorf thematisierte. Frau und Tochter Angelika, welche beim Roten Kreuz diente, versorgten den völlig unterernährten und durch Schläge Verletzten. Der Häftling sei nur kurz in Freiheit gewesen, bevor ihn die Wachmannschaften wieder abführten und die Familie König mit der Drohung zurückließen: „Für Euch ist unten im Lager noch viel Platz“.

Zeitzeuge Oskar Peter erinnert sich

Die Ausführungen Dr. Hochstuhls wurden durch Erinnerungen von Zeitzeugen ergänzt. Franz Lorenz trug bei, daß die Häftlinge unter strengster Bewachung den Iffezheimern bei der Heuernte geholfen hätten. Oskar Peter bezeugte, daß die Häftlinge an der Stichbahn zur Rennbahn die gefertigten Kisten in Züge verladen hatten und zur Bergung von Blindgängern eingesetzt worden waren. Eduard Schäfer erzählte von einem Häftling, der, während sein Bewacher döste,  Kartoffeln von ihrem Acker aufhob und einsteckte. Als der SS-Mann dies bemerkte habe, habe er den Häflting von hinten mit einem Gewehrkolbenschlag ins Genick heschlagen. Der Getroffene sei noch zwei Schritte nach vorne gestolpert und dann zusammengebrochen. Später hätten vier Häftlinge den Leichnam abgeholt.

Die Lagerbaraken entlang der Riochard-Haniel-Straße; (Ausschnitt eines alliierten Luftbildes; Quelle: Imperial War Museum, London)
links die Einfahrt in das Grundwasserwerk, rechst untern die Autobahntrasse (Danke an Kurt Hochstuhl)

Etwa 60 Menschen waren kurz nach Eröffnung des Lagers in Iffezheim in leer stehende Baracken des Reichsarbeitsdienstes entlang der Richard-Haniel-Straße in Sandweier eingesperrt worden, berichtete Kurt Hochstuhl an der Gedenktafel in Sandweier. Im Dorfalltag seien die Häftlinge in Sandweier wesentlich präsenter gewesen, da sie beim „Hauptwirtschaftslager II“ der Waffen-SS zur Arbeit gezwungen wurden, für das im alten Saal des Gasthauses „Zur Sonne“ ein Nachschubdepot eingerichtet war. Die Gefangenen seien am Bahnhof Baden-Oos beim Entladen der Züge eingesetzt worden, aber auch in der Ortsmitte selbst, wenn dort Lkws Waren angeliefert hätten oder Lebensmittel in das Lager transportiert worden seien. Waren keine Waren zu bewegen, rodeten sie die Trasse der 1938 ausgesteckten, heutigen A5. Die Wachmannschaften hätten auch in der Öffentlichkeit nicht gezögert, die Häftlinge mit ihren Peitschen zu traktieren. Dem Dorfschmied Daniel Stüber, einem Veteran des Ersten Weltkrieges, sei dabei wohl die Galle übergelaufen, wie sich dessen Neffe erinnerte, und er habe die Wachmannschaft aus einem Fenster des Gatshaueses „Zum Hirsch“ angeherrscht, sie sollten nach Rußland gehen und nicht hier die Leute totschlagen. Nur unter Einsatz von Liebesbanden zur SS-Mannschaft und dem freiwilligen Eintritt in die Wehrmacht habe eine KZ-Haft vermieden werden können, erinnerte sich der Verwandte.

Am 10. April, zwei Tage vor Eintreffen der französischen Streitkräfte, seien die Lager endgültig aufgegeben und die Insassen Richtung KZ Dachau „evakuiert“ worden, berichtete Hochstuhl vom Ende des Außenlagers Iffezheim. Ob dieser letzte Transport jemals Dachau erreicht habe, sei nicht überliefert, so Kurt Hochstuhl. Für den 7. April verzeichneten die Unterlagen aus Dachau letztmalig die Ankunft von Häftlingen aus Iffezheim.

Dr. Kurt Hochstuhl referiert über das Lager in Sandweier

Kurt Hochstuhl kritisierte die von Alexander Mitscherlich konstatierte „Unfähigkeit zu Trauern“ der Kriegsgeneration, die zwar haarklein in Erinnerungen an ihre Erlebnisse und Heldentaten im Kriege schwelgten, aber große Erinnerungslücken beim Thema Außenlager Iffezheim / Sandweier aufwiesen. Um so notwendiger sei es, mit den Gedenktafeln die jetzige und künftige Generationen daran zu erinnern, wohin Rassenhass, Extremismus und eine menschenverachtende Politik einst dieses Land geführt habe. Mit den Worten des Philosophen George Santayana: „Wer sich an die Vergangenheit nicht erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“ endete der Vortrag Kurt Hochstuhls.

 
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