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26. September 2005

 

 

Laßt nicht zu, daß so etwas nochmal passiert!

von Ute Zoller

Denkwürdig und ergreifend war der Morgen des 21.09. für die Abschlussklassen der Realschule Iffezheim, denn sie verbrachten ihn  mit dem Zeitzeugen Otto Schwerdt. Er vermittelte ihnen einen unmittelbaren Eindruck davon, was es bedeutete, während der Zeit der Diktatur der Nationalsozialisten als Mensch jüdischen Glaubens in Deutschland und später in den besetzten Gebieten Europas gelebt zu haben, verachtet und verfolgt zu werden. Fast seine ganze Familie wurde von den Nazis in den Vernichtungslagern ermordet und er selbst überlebte nur durch eine Reihe von Zufällen und glücklichen Fügungen.

Nach einer kurzen biografischen Einführung erläuterte Herr Schwerdt, wie seine Familie 1936 von Braunschweig nach Polen floh, nur um dort nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht mit Kriegsbeginn 1939 erneut Schikanen ausgesetzt zu sein.

Nun folgte seine Lesung aus dem Buch, das 1998 erstmals erschien. Lange, so erzählte er später seinem jugendlichen Publikum, war er nicht imstande gewesen, auch nur seinen Kindern von dem Entsetzen zu erzählen, das er erlebt und erlitten hatte, als er, 1923 geboren, in genau dem Alter war, das heute die meisten seiner Zuhörer haben.

Beginnend mit der Auflösung des Gettos Srodula, dem letzten der polnischen Gettos, in dem die Familie Schwerdt leben musste, leitete er über nach Auschwitz, berichtete über den unmenschlichen Transport, die gnadenlose Selektion an der Rampe, wo ungerührte Ärzte in Sekundenbruchteilen über „Leben“, also Arbeit bis zum Tod, oder sofortige Ermordung in einer der Gaskammern entschieden. Eindringlich zeigte Otto Schwerdt die Phasen der Entmenschlichung, zu der auch die Tätowierung mit der Häftlingsnummer gehörte, die den Einzelnen jeder Individualität beraubten. Episoden aus dem Lager Fünfteichen führten dann zum Schlusskapitel, dem Todesmarsch in das etwa 100 km entfernte KZ Groß-Rosen im Spätwinter 1945, als die deutsche Ostfront vollends zusammenbrach.

Otto Schwerdt kommentierte so anschaulich, las so bewegend, zog seine Zuhörer so sehr in den Bann seiner Geschichte, dass man buchstäblich eine Stecknadel hätte fallen hören können. Alle Jugendlichen begriffen den Wert des Vormittags: Es wird nicht mehr lange möglich sein, Zeugen dieser entsetzlichen Zeit zu hören und zu befragen.

Zahlreiche Fragen beantwortete Herr Schwerdt im Anschluss ausführlich, unterstützt durch Erinnerungen und Anekdoten, oft auch heute noch von Schmerz und Trauer überwältigt. Umso erstaunlicher war es für die Schülerinnen und Schüler zu erleben, dass ihnen trotzdem ein humorvoller Mann gegenübersaß, der weder verspätetes Mitleid noch verspätete Sühne forderte, von Rache ganz zu schweigen. Worauf es ihm ankommt, warum er mit seinen 82 Jahren noch immer die Strapazen des Herumreisens an Schulen und Begegnungsstätten auf sich nimmt: er hat ein Anliegen an die Jugend, denn er appelliert an die Menschlichkeit, setzt sich ein für Toleranz und Freiheit und gegen Fanatismus jeder Art. „Lasst nicht zu, dass so etwas noch einmal passiert.“

Es gibt Begegnungen im Leben jedes Menschen, die lange im Gedächtnis bleiben: Für die meisten Schülerinnen und Schüler der zehnten Realschulklassen in Iffezheim wird Herr Schwerdt und sein Vortrag dazugehören.

 
Euer Kommentar an Matthias  

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